Das Programm 2018

Das Literaturfest Salzburg (23. bis 27. Mai 2018) zeigt zum elften Mal Literatur von ihren besten Seiten: Thematisch umkreisen viele Veranstaltungen des diesjährigen Festivals, dessen Programm erstmals von Christa Gürtler und Valerie Besl verantwortet wird, künstlerische und gesellschaftliche Revolten.


„Im Zentrum stehen auch Geschichten, die von Widerständen und Umbrüchen erzählen: In diesem Jahr widmen wir einige Veranstaltungen des Literaturfests dem Thema Revolte. Der Bogen spannt sich von gesellschaftlichen, sozialen und politischen Umbrüchen und Veränderungen bis zu ästhetischen und künstlerischen Revolten, dabei hat die Zeit um 1968 und danach eine besondere Bedeutung“, betonen Christa Gürtler und Valerie Besl bei der Vorstellung des Programms.


Büchner-Preis-Träger Friedrich Christian Delius beschwört in seiner Erzählung „Die Zukunft der Schönheit“ den Aufbruchsgeist der späten Sechzigerjahre. Das Aufbegehren der Schülerinnen eines katholischen Internats thematisiert Barbara Frischmuth in ihrem furiosen Debüt „Die Klosterschule“ aus dem Jahr 1968. Die Geschichten des Schweizer Autors Michael Fehr, die er nicht aufschreibt, sondern aufnimmt, sind komplexe Sprachkompositionen, die Denken und Sprechen einzigartig miteinander verbinden.

Zum Thema „1968 – Kulturen der Rebellion“ diskutieren der Kulturwissenschaftler Helmut Lethen, die feministische Sozialwissenschaftlerin und Vorsitzende von „Frauen ohne Grenzen“ Edit Schlaffer und der Schriftsteller Frank Witzel. Er liest auch aus seinem hybriden Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“. Im Anschluss präsentiert Ulli Lust in ihrer autobiografischen Graphic Novel „Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein“ die Geschichte einer sexuellen Obsession, der Geschlechterkonflikte und der Selbstbefreiung. 

Die SchauspielerInnen Stefanie Reinsperger und Nico Holonics geben Einblicke in die ebenso leidenschaftliche wie konfliktreiche Beziehung eines der berühmtesten deutschsprachigen Theaterpaare: Sie lesen aus „ich lerne: gläser + tassen spülen“, dem Briefwechsel von Bert Brecht und der Schauspielerin Helene Weigel.
Dass LiteraturkritikerInnen nicht nur etwas von Literatur, sondern als DJs auch von Musik verstehen, davon kann man sich im Anschluss an die Lesung überzeugen, wenn Zita Bereuter (FM4), Sebastian Fasthuber (Falter) und Bernhard Flieher (Salzburger Nachrichten) zum Tanz bitten.

ÜBER AUS- UND AUFBRÜCHE
Katharina Winkler liest aus ihrem Debütroman „Blauschmuck“, der zur Gänze auf wahren Begebenheiten aus dem Leben einer Frau aus einem türkischen Dorf basiert. In ihrem autobiografischen Debüt „Unorthodox“ schildert Deborah Feldman ihren Ausbruch aus der ultraorthodoxen chassidischen Gemeinde in Williamsburg, New York, ihr aktueller Roman „Überbitten“ ist ein faszinierendes Dokument der Versöhnung. Drei AutorInnen nähern sich literarisch „Revolten von 1918 bis 2018“: Bettina Balàka erinnert in ihrem Essayband „Kaiser, Krieger, Heldinnen“ an vergessene Pionierinnen der Frauenbewegung. Angelika Reitzer beschäftigt sich mit aktuellen demokratischen Verhältnissen in Österreich. Der Protagonist in Christian Schacherreiters Roman „Wo die Fahrt zu Ende geht“ rekapituliert seine Studienzeit im Salzburg der Siebzigerjahre. 
 
AUTORiNNEN ZU GAST: MARGIT SCHREINER 
„In diesem Jahr sollen Sie nicht nur zu uns kommen, wir sind auch gerne bei Ihnen zu Gast. Als erste Autorin unserer neuen Reihe ‚Hausbesuche‘ können Sie Margit Schreinereinladen: Wenn Sie Interesse an einer unkonventionellen Lesung für Ihre Gäste in privaten Räumen haben, dann melden Sie sich bei uns!“ so Christa Gürtler und Valerie Besl. Zu erleben ist Margit Schreiner aber auch bei einer Lesung aus ihrem neuen Roman „Kein Platz mehr“: Gewohnt überspitzt und mit reichlich schwarzem Humor beschreibt die Autorin den Platzmangel als weltumfassendes Problem.

LITERARISCH-MUSIKALISCHE KORRESPONDENZEN
Begleitet wurde das Literaturfest immer wieder von musikalischen Zwischentönen, verstärkt werden diese nun mit weiteren Formaten, in deren Rahmen sich Text und Musik aufs Lustvollste ergänzen und bedingen.
In ihrem Programm „von satzsprüngen und klangkatastrophen“ bringen der Ingeborg-Bachmann-Preisträger 2017 Ferdinand Schmalz und die Pianistin Clara Frühstück Texte zum Schwingen und Klänge zum Bedeuten.
Dental Princes – das sind Ann Cotten (lyrics & vocals), Lucy Cotten (composition, cello & vocals) und Mario Schlager (e-gitarre & vocals) – bieten Unterhaltung auf höchstem Wieneaou.
Dorit Ehlers versammelt bei „Eine erlesene Runde“ eine fiktive Bargesellschaft berühmter Schreibender trifft auf Romanfiguren aus unterschiedlichen Epochen, sie alle sind Hotelgäste mit Hang zur Revolte.

Zum Abschluss lädt das Literaturfest Salzburg auch diesmal zur Matinee mit Lyrik und Musik: Safiye Can thematisiert in ihrem Gedichtband „Kinder der verlorenen Gesellschaft“ die Fremde, die irgendwann auch zum selbstverständlichen Zuhause werden kann. Michael Donhauser entwirft in „Variationen in Prosa“ einen paradiesischen Sprachgarten und Büchner-Preis-Träger Jan Wagner versammelt im Band „Selbstporträt mit Bienenschwarm“ das Beste aus seinem poetischen Schaffen.

LITERATUR IN DER STADT UND IM GESPRÄCH
Wie gewohnt macht das Literaturfest Texte auch im Stadtbild sichtbar: An den Schaufenstern der Salzburger Altstadt sind in diesem Jahr Sätze von Thomas Bernhard(1931-1989) aus seinem autobiografischen Buch „Der Keller. Eine Entziehung“ zu lesen.
Bei der „Thomas Bernhard Schnitzljagd – Eine gemeinsame Spurensuche“ erkunden Felicia Chin-Malenski, Eva Grieser, Sebastian Jehkul und Kai Götting (Thomas-Bernhard-Institut der Universität Mozarteum) mit den BesucherInnen das Andräviertel.
Während des Literaturfestes ist wieder das Bücherfahrrad in der Stadt unterwegs, das Lust aufs Lesen macht und zum Bücher mitnehmen und/oder tauschen einlädt.

VOM ANDERS-SEIN: DAS KINDERPROGRAMM
Auch in diesem Jahr bietet das Literaturfest Salzburg für junge LeserInnen Veranstaltungen zum Zuhören und Mitmachen an: Mit Renate Welsh und Michael Stavaričsind zwei preisgekrönte AutorInnen zu Gast, die Mut zum Anders-Sein machen.